14.12.2019 / Jülicher Zeitung / Seite 18 / LOKALES/ https://epaper.zeitungsverlag-aachen.de / Kommentar von b.giesen@zeitungsverlag-aachen.de
Wenn kleine Kinder dabei ertappt werden, dass sie irgendetwas kaputt gemacht haben, ist die erste Reaktion oftmals, das abzustreiten. Das war ich nicht. Die Vase ist von selbst vom Tisch gefallen und die verschwundenen Süßigkeiten könnten sich überall befinden, aber bestimmt nicht im Magen der Kinder.
Wenn große Kinder etwas angestellt und ein schlechtes Gewissen haben, reagieren sie manchmal nicht anders: Das war ich nicht. Und so kann es natürlich auch überhaupt nicht sein, dass das passiert ist, worüber wir diese Woche mehrfach berichtet haben. Der Bürgermeister von Inden bekommt regelmäßig ein Knöllchen, marschiert jeweils zum Mitarbeiter seines Ordnungsamtes und sorgt dafür, dass das Knöllchen zurückgenommen wird. Das war er nicht. Jedenfalls nicht als Bürgermeister, wie er am Donnerstag via Facebook den „lieben Indenerinnen und Indenern“ erklärt hat. Schließlich sei er ja auch noch Mensch, also Privatperson, und habe als solcher vor Ort im Ordnungsamt dazu Stellung bezogen. Und oh Wunder, danach habe er nichts mehr gehört. Die Aktenvermerke, die das Gegenteil belegen und in denen eindeutig von einer Anweisung des Bürgermeisters und nicht der Privatperson Jörn Langefeld die Rede ist, sind natürlich ein Missverständnis. Das ist alles so verständlich und nachvollziehbar, dass jeder seine eigenen Schlüsse daraus ziehen kann. Zum Beispiel den: Sollten Sie jemals einen Bußgeldbescheid in Inden bekommen, etwa weil sie
verbotener Weise auf einem Bürgersteig geparkt haben, dann ignorieren Sie den Anhörungsbogen, gehen einfach zum Amt, der Bürgermeister wird mit Sicherheit dafür sorgen, dass das Knöllchen zurück genommen
wird, weil ja gleiches (Un)Recht für alle gelten muss.
Bemerkenswert an diesem Fall ist etwas anderes. Man klagt gerne über Verwaltungen, reißt Beamtenwitze, beschwert sich, wie stur und unflexibel Mitarbeiter manchmal sein können (weil eine Entscheidungen einem
vielleicht selbst nicht in den eigenen Kram passt). Und dann sitzt im Ordnungsamt der kleinen Gemeinde Inden ein Mitarbeiter, der sich seinem Chef ausgesetzt sieht, der wegen fünf Knöllchen vorspricht, die er
nicht bezahlen möchte. Wie würden Sie reagieren? Hätten Sie den Mut, dem Chef zu sagen, das geht so nicht? Würden Sie anschließend eine entsprechende Aktennotiz verfassen, von der klar ist, dass sie eines
Tages Thema sein wird? Oder würden Sie vielleicht einfach an der richtigen Stelle ein Häkchen setzen, den Fall als erledigt betrachten, und damit ihre Ruhe haben? Der Mitarbeiter hat sich offenbar für den ihn
unbequemen Weg entschieden. Das verdient Respekt – und unsere Entschuldigung dafür, dass wir ihm mit unserer Berichterstattung ungewollt vermutlich auch Stress bereitet haben.
Dem abschreckenden Beispiel Inden kann man das Positiv Jülich gegenüberstellen. Oder genauer gesagt Kirchberg. Da gibt es Bürger, die sich Gedanken über die Zukunft ihres Ortes machen, sich in der Dorfgemeinschaft Zukunft Kirchberg zusammengeschlossen haben und seit dem einen konstruktiven Vorschlag nach dem anderen vorlegen. Die jüngste Idee, über die wir diese Woche berichtet haben: die Dörfer an der Tagebaukante, also die südlichen Stadtteile, mit einer Buslinie verbinden und gezielt das Forschungszentrum und die Fachholschule ansteuern. Die Grundidee: Mit einer guten ÖPNV-Anbindung an FZJ und FH hätten auch die Dörfer eine Chance zu wachsen und Baugebiete für Bürger auszuweisen, die bewusst auf ein Auto verzichten wollen. Und die eigene Infrastruktur würde ebenfalls abgesichert. Ein kluger Vorschlag. Vor allem vor dem Hintergrund, dass wir uns im Rahmen des Strukturwandels zwar über viele Millionen Euro für wichtige Projekte unterhalten, die Stärkung der Infrastruktur der Kommunen aber oft zu kurz kommt.
Ihnen ein schönes Wochenende in möglichst vorweihnachtlicher Atmosphäre.