Indens Bürgermeister beschuldigt seinen Vorgänger weiter der Untreue. Damit verstößt er gegen geltendes Recht.
Inden. Jörn Langefeld, der parteilose Bürgermeister der Gemeinde Inden, hat auf der jüngsten Ratssitzung gegen das Gesetz verstoßen. Und das hat er getan, obwohl er nicht anwesend war. Der Verstoß ist geschehen in einer Erklärung, die Langefeld aufgeschrieben und von seinem allgemeinen Vertreter Michael Linzenich hat verlesen lassen. In seiner Erklärung behauptet Langefeld erneut, dass die Staatsanwaltschaft Aachen festgestellt habe, dass sein Vorgänger Ulrich Schuster „haushaltswidrig Geld außerhalb des Haushaltes vorgehalten hat und damit einen finanziellen Schaden verursacht hat“. Aber genau das hat die Staatsanwaltschaft nicht getan. Damit verstößt der Indener Bürgermeister gegen das Beamtenstatusgesetz und gegen die Persönlichkeitsrechte seines Vorgängers. Bei Weitem nicht zum ersten Mal.
Langefeld, der Anwalt war bevor er Ende 2015 Indener Bürgermeister wurde, behauptet immer wieder, dass die Staatsanwaltschaft Fehlleistungen seines Vorgängers ermittelt habe. Immer wieder hat unsere Redaktion bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt und dort immer ein und dieselbe Antwort erhalten: „Die Staatsanwaltschaft Aachen sieht den Tatvorwurf der Untreue gegen Ulrich Schuster als nicht erwiesen an“, teilte Sprecher Jost Schützeberg mittlerweile mehrfach mit. Das hat unsere Zeitung auch immer wieder entsprechend berichtet, weswegen Langefeld uns unvollständige und tendenziöse Berichterstattung vorwirft.
Als unschuldig anzusehen
Langefeld hatte seinen Vorgänger Schuster unmittelbar nach seinem Amtsantritt Ende 2015 bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, weil dieser eine „schwarze Kasse“ geführt haben soll mit Zahlungen von RWE, die dem Haushalt hätten zugeführt werden müssen. Nach drei Jahren hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt, ohne eine Aussage über einen Schaden gegenüber der Gemeinde Inden und eine Schuld Schusters zu machen. „Der Schaden und die Schuld, die wir möglicherweise festgestellt hätten, wären so gering gewesen, dass wir darauf verzichtet haben, die Sache auszuermitteln“, sagte Schützeberg weiter. Geringfügigkeit nennt sich das. Das Einstellen wegen Geringfügigkeit ist sowohl ohne die Aussage über eine Schuld möglich als auch mit. Die Staatsanwaltschaft hat eingestellt, ohne festzustellen, ob Schuster einen Fehler gemacht hat. „Was daraus zwingend folgt, ist, dass der Beschuldigte als unschuldig anzusehen ist“, erklärte Schützeberg.
Aus dem Gesetz folgt, dass die Aussagen eines Amtsträgers richtig sein müssen. Wenn sie nicht richtig sind, dann überschreiten sie die Grenze des Sachlichkeitsgebotes.
Johannes Dietlein, Professor für Öffentliches Recht
Aber genau das tut Langefeld in seinen Kommentaren nicht. Schon vor dem Ende der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hat er mehrfach öffentlich erklärt, dass sein Vorgänger eine s“chwarze Kasse“ geführt habe. Dabei bleibt er auch nach dem Abschluss der Ermittlungen. Schon häufiger auf dem Facebook-Profil „Jörn Langefeld Bürgermeister Inden“, jetzt mit seiner verlesenen Stellungnahme im Rat. Mehr noch: „Dabei hat er (Schuster, Anm. d. Redaktion) auch Mitarbeiter in meiner Verwaltung, den Rat und damit die Bürgerinnen und Bürger über die Herkunft der Gelder getäuscht“, behauptet Langfeld in seiner Stellungnahme und fügt hinzu, dass ein vereidigter Buchprüfer, eine eigene gemeindlich beauftragte Rechnungsprüfungsgesellschaft, der Kämmerer Michael Linzenich und eben die Staatsanwaltschaft die „schwarze Kasse“ bestätigt hätten. Das Ergebnis der Staatsanwaltschaft als zuständiger Ermittlungsbehörde steht im Widerspruch zu Langefelds Behauptung, Linzenich bestätigt sie, weitere Stellungnahmen sind der Redaktion nicht bekannt.
Auf Facebook hat Langefeld Schusters Handeln mit dem eines Diebes verglichen, in Ausschusssitzungen nannte er seinen Vorgänger einen Kriminellen. Und immer wieder die „schwarze Kasse“. Damit begeht Langefeld gegenüber Schuster nicht nur eine nicht statthafte Vorverurteilung, er belastet ihn auch weiterhin, obwohl sein Vorgänger laut Staatsanwaltschaft als unschuldig zu gelten hat. Sollte Schuster dagegen vorgehen, dann würde der Tatvorwurf Verleumdung lauten.
Im Januar kündigte Langefeld auf dem Facebook-Profil „Jörn Langefeld Bürgermeister Inden“ an, für Klarheit zu sorgen, was das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft angehe. „So können Sie sich selbst ein objektives Bild machen – frei von tendenziöser journalistischer Berichterstattung und politisch motivierter Einfärbung: ‚Nach Auffassung der Unterzeichnerin [Staatsanwältin] ändert der Ratsbeschluss vom Mai 2018 nichts am Bestehen des Verdachts der Untreue gegen den Beschuldigten [Altbürgermeister Schuster]‘…“ Unsere Redaktion hat die Staatsanwaltschaft auch dazu mehrfach befragt und immer die Antwort erhalten, dass es sich bei diesen Zeilen um die Begründung des Anfangsverdachts handelt, nicht aber um das Ermittlungsergebnis. Zur Erklärung: Wenn ein Anfangsverdacht nicht begründet werden kann, nimmt eine Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen auf.
Langefeld maßt sich darüber hinaus in der Causa Schuster Kompetenzen an, die er nicht hat. „Die Zuständigkeit eines Bürgermeisters beschränkt sich auf Fragen der Gemeinde“, sagt Johannes Dietlein, Professor für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf, der Mitherausgeber des maßgeblichen juristischen Kommentars zum Kommunalrecht NRW ist.
Vom Mandat nicht gedeckt
So merkt Langefeld in seiner Stellungnahme an, dass man die Entscheidung (der Staatsanwaltschaft zum Einstellen der Ermittlungen gegen Schuster, Anm. d. Red) „durchaus hinterfragen könnte“. Dietlein hierzu: „Amtliche Äußerungen über die strafrechtliche Richtigkeit staatsanwaltschaftlicher oder gerichtlicher Entscheidung wären von dem Mandat eines Bürgermeisters sicherlich nicht mehr gedeckt. Rahmen und Grenze für amtliche Äußerungen eines Bürgermeisters ist allein der örtliche Bezug. Das Justizwesen gehört hierzu nicht, dort geht es allein um den staatlichen Strafanspruch.“
Noch konkreter wird Langefelds Fehlleistung mit Blick auf das Beamtenstatusgesetz, Paragraf 33. „Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.“, ist da unter Absatz 2 zu lesen. Das Gesetz beinhaltet also das Gebot zur Mäßigung. Und dagegen verstößt Langefeld im Bezug auf seinen Vorgänger permanent. „Aus dem Gesetz folgt, dass die Aussagen eines Amtsträgers richtig sein müssen. Wenn sie nicht richtig sind, dann überschreiten sie die Grenze des Sachlichkeitsgebotes“, stellt Dietlein allgemein fest. Die Aussage Langefelds, dass die Staatsanwaltschaft festgestellt hat, dass Schuster der Gemeinde einen Schaden verursacht hat, ist nicht richtig, genauso wenig wie der Vergleich mit einem Dieb und die Behauptung der „schwarzen Kasse“. „Zum Sachlichkeitsgebot gehört im Übrigen auch die Beachtung der Unschuldsvermutung. Über eine Strafbarkeit entscheiden die Gerichte. Solange diese da nicht festgestellt wird, ist jemand vor dem Gesetz unschuldig“, führt Dietlein weiter allgemein aus.
Allein – Langefeld macht weiter. Ulrich Schuster hat angekündigt, deswegen rechtliche Schritte gegen seinen Nachfolger zu prüfen. Möglicherweise ist ein Gerichtsurteil das einzige Mittel, um Langefelds Aussagen über Schuster zu unterbinden. „Das werden wir uns in Ruhe anschauen. Ich empfinde dieses Verhalten aber als beschämend. Wenn er mich der Lüge gegen den Rat und die Bürger bezichtigt, dann denke ich immer an den Spruch: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, sagt Ulrich Schuster.
von Guido Jansen
Quelle: https://epaper.zeitungsverlag-aachen.de/2.0/#/read/aze/20190604?page=14&article=55677091