Staatsanwaltschaft Aachen stellt Ermittlungen gegen Alt-Bürgermeister ein. Der Nachfolger sieht das weiter anders.
Inden. Ulrich Schuster, der Alt-Bürgermeister der Gemeinde Inden, bleibt ein unbescholtener Mann. Den von seinem Nachfolger Jörn Langefeld gegen ihn erhobenen Vorwurf, dass er sich in seiner Amtszeit bis 2015 der Untreue schuldig gemacht habe, weil er laut Langefeld eine „schwarze Kasse“ geführt haben soll, sieht die Staatsanwaltschaft Aachen als nicht hinreichend erfüllt an. Die Behörde erklärte jetzt nach drei Jahren Ermittlung, „keinen hinreichenden Tatverdacht“ gefunden zu haben, der eine Anklage vor einem Gericht rechtfertige. Damit bestätigt die Staatsanwaltschaft, was nach Recherchen unserer Zeitung schon länger absehbar war: Langefelds immer wieder energisch erhobener Vorwurf der Untreue kann nicht länger aufrecht erhalten bleiben.
Ein Ende des seit Langefelds Amtsantritt vor mehr als drei Jahren tobenden politischen Streits in Inden – die angebliche Untreue ist hier ein wesentlicher Kernpunkt – ist dennoch nicht absehbar. Trotz des Ergebnisses der Staatsanwaltschaft bleibt Langefeld bei seiner Auffassung und hat dem Ermittlungsergebnis widersprochen. Ob er als Vertreter der Gemeinde Beschwerde gegen das Ergebnis einlegen und damit eine Prüfung bei der Generalstaatsanwaltschaft auslösen will – dazu gab Langefeld trotz mehrfacher Nachfrage keine eindeutige Stellungnahme ab.
„Kriminelle Energie“
Die Staatsanwaltschaft begründet die Einstellung der Ermittlungen ohne Auflage unter anderem damit, dass Schuster sich mit der haushaltsrechtlich möglicherweise nicht korrekten Handhabung einer Sonderzahlung von RWE weder persönlich bereichert habe, noch, dass zu erkennen sei, dass Schuster mit voller Absicht einen Fehler begangen habe. Das hatte Langefeld ihm wiederholt öffentlich mit dem Vorwurf der Untreue beziehungsweise der Bildung einer „schwarze Kasse“ unterstellt und in diesem Zusammenhang in nicht öffentlichen Sitzungen sogar behauptet, Schuster habe „kriminelle Energie“ und sei ein „Krimineller“.
Richtig liegt Langefeld nur mit Bezug auf den Anfangsverdacht, der zur Aufnahme der Ermittlungen geführt hatte, aber letztlich von der Staatsanwaltschaft nicht als erwiesen angesehen wird. Der Verdacht bestand darin, dass Schuster mit dem Nichtverbuchen von RWE-Geldern in Höhe von 357.000 Euro eine Untreue begangen haben könnte.
Auf die Mittel hatte die Gemeinde ursprünglich keinen Anspruch, Schuster hatte sie dem Konzern nach Verhandlungen als freiwillige Ausgabe abgetrotzt. Trotzdem hätten sie in den Haushalt gebucht werden müssen. Das Geld war aber beim Unternehmen geblieben und wurde von Schuster für Infrastrukturmaßnahmen abgerufen, die eine verschuldete Kommune aus eigener Kasse nicht finanzieren darf. So ist der Gemeinde ein Zinsschaden von rund 10.000 Euro entstanden. Zusätzlich flossen rund 10.000 Euro in eine Rheinschifffahrt für Indener Senioren.
Am Ende steht ein Plus
Zieht man einen Strich unter den Haushaltsfehler, dann bleibt für die Gemeinde Inden trotzdem ein Plus übrig. Die Einnahmen, die die Gemeinde mit dem aus den Mitteln für den eingerichteten Parkplatz am Aussichtspunkt Indemann macht, übertreffen nach Informationen unserer Zeitung die Summe aus dem Zinsschaden und den Investitionskosten für den Parkplatz längst. Den Rest des RWE-Geldes hatte Langefeld 2015 abgerufen und in den Haushalt verbucht.
Langefeld kommentiert das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens auf Anfrage unserer Zeitung so: „Für die Gemeindeverwaltung ist aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens alleine maßgeblich, dass die Staatsanwaltschaft, wie alle bisher damit befassten Sachverständigen und Juristen, das Vorliegen der Untreue bestätigen sowie einen durch Schuster verursachten finanziellen Schaden zu Lasten der Gemeinde Inden. Ob die Staatsanwaltschaft wegen fehlender Vorbelastung Schusters von einer Bestrafung Abstand nimmt, ist nicht meine Angelegenheit.“
Die Antwort des Indener Bürgermeisters weicht in einem entscheidenden Detail vom Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft ab. Während die Staatsanwaltschaft weiterhin von einem Anfangsverdacht spricht, der aufgrund der möglicherweise zu erwartenden geringen Schuld nicht abschließend auf seinen Wahrheitsgehalt geprüft wurde, bleibt Langefeld bei seiner davon abweichenden Rechtsauffassung des Vorwurfs einer begangenen Untreue. Das hat er auch vor dem Ende der Ermittlungen immer wieder betont.
Mehr ein politischer Streit
Die Staatsanwaltschaft nennt weitere Gründe, warum sie das Ermittlungsverfahren gegen Ulrich Schuster eingestellt hat. Sie sieht hier weniger einen juristischen und mehr einen politischen Streit. Das ergebe sich aus der Art, auf die Langefeld den Fall der angeblichen „schwarzen Kasse“ vorangetrieben hat. Eine Wertung dieser Umstände gibt die Ermittlungsbehörde nicht ab. Das muss sie auch nicht.
Denn längst ist klar, dass die „Sache Schuste“r einer der Hauptauslöser war für den Streit, den sich Langefeld und die Ratsmehrheit aus CDU, SPD und Grünen seit drei Jahren liefern. Langefeld hat die „Sache Schuster“ dazu gemacht mit mehreren Aussagen und Aktionen, in denen er geltendes Recht wenigstens bis an die Grenzen strapaziert.
Nach wie vor agiert der gelernte Anwalt mit allen Mitteln seines Berufsstandes, obwohl er vor fast drei Jahren bei einem Friedensgipfel zugesagt hatte, den Anwalt hinter sich zu lassen und als Bürgermeister nach dem Gebot der Mäßigung zu handeln.
Der Friedensgipfel war notwendig geworden, weil sich beide Seiten, Langefeld und die Ratsmehrheit, in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit immer wieder bekämpft hatten. Den Frieden endgültig gebrochen hat später Langefeld, indem er Ende 2016 auf bis heute umstrittene Weise Akteneinsicht genommen hat in die Ermittlungen gegen Schuster.
Im Gegensatz zu den Behörden
Die Art, wie Langefeld das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft jetzt umdeklariert, ist nicht der erste Fall, in dem der Indener Bürgermeister eine Rechtsauffassung vertritt, die nicht mit der der zuständigen Behörden übereinstimmt. Seiner mehrfach wiederholten Aussage, dass er 2015 keinen Strafantrag gegen Schuster gestellt hat, hat die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage unserer Zeitung widersprochen und erklärt, es liege eindeutig ein Strafantrag vor.
Vor einigen Wochen hat Langefeld erklärt, dass eine Verfügung hinfällig sei, mit der der Kreis ihn angewiesen hatte, eine von ihm gestellte Schadensersatzforderung gegen Vorgänger Schuster zurückzuziehen. Der Kreis teilte daraufhin mit, dass die Verfügung lediglich ausgesetzt sei.
Im Sommer hatte Langefeld sogar Strafantrag gegen Mitglieder des Rates der Gemeinde gestellt, weil diese dagegen gestimmt hatten, Schuster wegen der ausgebliebenen Verbuchung der RWE-Gelder auf Schadensersatz zu verklagen. Die Abstimmung war geheim. Die Staatsanwaltschaft teilte jetzt mit, dass sie das Ermittlungsverfahren eingestellt hat, weil wegen der geheimen Abstimmung kein vermeintlicher Täter ermittelt werden konnte und weil sie Zweifel am Vorwurf der Untreue hat.
Ein Fehler des amtierenden Bürgermeisters steht jetzt in jedem Fall fest. Er hat seinen Vorgänger wiederholt öffentlich vorverurteilt, indem er seine Rechtsauffassung von einer Untreue Schusters betont und erklärt hat, dass die Staatsanwaltschaft die Untreue festgestellt habe. Letzteres trifft nicht zu.
von Guido Jansen
Quelle: https://epaper.zeitungsverlag-aachen.de/2.0/#/read/az-e/20190115?page=14&article=45770267